Unser Zuhör.Raum
in der Zentralbibliothek im KAP 1
Seit Juli 2024 verwandelt sich die Zentralbibliothek im KAP 1 in Düsseldorf in einen ZUHÖR.Raum.
Jeden Samstag von 11 bis 13 Uhr haben interessierte Bürgerinnen und Bürger ab sofort die Möglichkeit, sich zu Gesprächen und zum Austausch zu verabreden. Sie finden uns im XAFÉ, dem Café der Zentralbibliothek in der Ecke vor dem Stadtfenster.
Geschulte ehrenamtliche ZuhörerInnen stehen bereit, um Menschen und ihren Geschichten oder Erfahrungen Gehör zu schenken. Im Mittelpunkt der Gespräche steht das Thema „Heimat“: Was verbindet uns als Gemeinschaft in Düsseldorf? Was macht unsere Stadt lebenswert? Und wie können wir Brücken zueinander aufbauen?
Große Freude in der Zentralbibliothek im KAP1 und bei "ZUHÖREN.DRAUSSEN": Der "ZUHÖR.Raum" wurde mit dem "Zukunftsgestalterpreis in Bibliotheken 2025" ausgezeichnet! Er ist mit 500 Euro dotiert. Die Preisverleihung fand Ende Juni im Rahmen der 113. BiblioCon (Bibliothekskongress) in Bremen statt. Der Preis würdigt innovative Projekte, die Bibliotheken als lebendige Orte des Austauschs und der gesellschaftlichen Teilhabe neu gestalten.

eine kleine Geschichte des Zuhörens
Der ZUHÖR.Raum in der Zentralbibliothek bietet Raum für Begegnungen, die berühren und verbinden. In dieser Erzählung erleben Sie eine besondere Begegnung, die zeigt, was Zuhören bewirken kann und welche Kraft in einem offenen Ohr steckt.
Das Glückspiel
von Mehrandokht Feizi
Hinweis: Die folgende Geschichte basiert auf einem echten Gespräch im ZUHÖR.Raum.
Um die Anonymität der beteiligten Person zu wahren, wurden einzelne persönliche Angaben verändert.
Mit zögernden Schritten kommt sie auf mich zu. Sie trägt eine graue Herbstjacke, eine ausgewaschene Jeans und eine schwarze Tasche auf der Schulter, deren Riemen sie fest umklammert. „Will sie wirklich zu mir kommen, oder sucht sie einen freien Tisch?“ frage ich mich. Mit einem schmalen Lächeln, weder zu sicher noch zu unsicher folge ich ihren Schritten. Noch bevor meine wirren Gedanken zu einem Schluss kommen, steht sie vor mir und grüßt mich.
Ich nehme rasch das große, orangefarbene Herz mit der Aufschrift „Ich höre dir zu“ vom Nachbarstuhl und sage diesmal mit einem selbstbewussten Lächeln: „Hallo, bitte setz dich!“ „Bin ich hier richtig?“ fragt sie leise in gebrochenem Deutsch. „Ich möchte sprechen.“ „Ja, du bist hier richtig.“
Sie hält ihre Tasche nun mit beiden Händen fest und setzt sich vorsichtig.
„Möchtest du etwas trinken? Kaffee, Tee oder etwas anderes?“ frage ich sie.
„Nein, danke!“
Ihr Blick wirkt verloren und traurig, als ob er durch die Glasfront des Cafés nach etwas sucht, das nicht da ist. Ich warte eine Weile, bis sie sich entscheidet, etwas zu sagen, aber es bleibt still. Langsam verliert mein Lächeln seine Bedeutung und hinterlässt nur eine leere Geste. Wie kann ich nun dieses Schweigen brechen? Was soll ich fragen, ohne sie zu verschrecken?
„Wusstest du, dass wir hier sind, oder hast du mich zufällig gesehen?“ Frage ich endlich.
„Entschuldigung? Ich habe es nicht verstanden.“ „Ich meinte, kennst du uns, oder hast du dieses Herz gesehen und bist zu mir gekommen?“ Ich zeige ihr das orangefarbene Herz.
„Ach ja, ich habe diesen Flyer von einer Freundin“ sagt sie und hält ihn mir direkt vors Gesicht – einen verknitterten Flyer vom ZUHÖR.Raum, den sie aus ihrer Jackentasche gezogen hat. „Ah, okay! Das ist schön!“
„Ich spreche nicht gut Deutsch. Ich muss es lernen.“
„Je mehr du sprichst und zuhörst, desto schneller lernst du!“
„Entschuldigung, wie bitte?“ „Ich sagte, viel sprechen und viel zuhören, dann lernst du die Sprache!“
Plötzlich füllen sich ihre Augen mit Tränen, und sie versucht verzweifelt, sie zurückzuhalten. Mit zitternden Händen öffnet sie ihre Tasche, zieht ein Taschentuch heraus und wischt sich die Augen. Mein Dauerlächeln verkrampft mein Gesicht, und ich fühle mich machtlos.
„Darf ich fragen, wie lange du schon in Deutschland lebst?“
„Ich lebe seit drei Jahren hier“ sagt sie leise.
„Möchtest du mir etwas über dich erzählen?“
Sie zögert, atmet tief ein und sammelt ihren Mut: „Ja… Ich bin vierzig Jahre alt und habe einen sechzehnjährigen Sohn und zwei Töchter. Sie sind zwölf und zehn. Ich putze bei alten Leuten, aber jetzt nicht mehr. Die Firma hat keine Arbeit für mich. Mein Mann arbeitet und meine Kinder gehen zur Schule. Sie sprechen gut Deutsch.“ Sie schaut mir unsicher in die Augen.
„Verstehst du, was ich sage?“
„Natürlich verstehe ich! Erzähl weiter…“
Ihr Gesicht entspannt sich etwas.
„Ich komme aus Bulgarien. Meine Familie lebt dort in einer Stadt am Meer. Das Meer ist sehr schön. Ich habe dort an der Universität Marketing studiert und gearbeitet. 15 Jahre lang. Hier kann ich in meinem Beruf nicht arbeiten, weil ich kein Deutsch spreche. Ich habe keine Freunde und fühle mich sehr einsam“
Sie senkt den Kopf und faltet das zerknüllte Taschentuch in ihren Händen.
„Du hast zwei Kinder und deinen Mann bei dir,“ sage ich mitfühlend.
„Ja, aber ich bin oft allein. Ich möchte gerne mit anderen Menschen sprechen, ich kann es nicht“…„Aber du sprichst gerade mit mir … Vielleicht übst du mit deinen Kindern etwas.“
„Meine Kinder üben nicht mit mir. Sie müssen für die Schule lernen, und ich muss kochen und putzen.“ „Was machst du, wenn du allein bist und nicht arbeitest? Hast du Hobbys?“
„Ich liebe es, Lotto zu spielen. In Bulgarien habe ich immer Lotto gespielt, hier spiele ich auch.“ und schaut mir lächelnd in die Augen.
„Du spielst Lotto? Wie interessant! Hast du schon einmal etwas gewonnen?“
„Nein, ich gewinne nie. Nur ein- oder zweimal habe ich einen kleinen Betrag. Aber hier in Deutschland mag ich das Lottospielen noch mehr.“
„Warum?“
„Ich gehe jede Woche zu einem Kiosk in unserer Straße und kaufe einen Lottoschein. Ich sage zu dem Mann dort ‚Hallo‘, und er antwortet. Dann sage ich: ‚Einen Lottoschein, bitte.‘ Er gibt mir den Schein und ich zahle. Dann zeige ich ihm meinen alten Lottoschein und frage: ‚Habe ich gewonnen?‘ Er prüft meinen Schein und sagt: ‚Es tut mir leid, Sie haben nicht gewonnen!‘ ich lächle und sage: ‚Dankeschön, ich wünsche Ihnen einen schönen Tag‘ und er antwortet: ‚Das wünsche ich Ihnen auch, bis zum nächsten Mal.‘ Dieses Gespräch auf Deutsch macht mich sehr glücklich.“
Sie steckt das Taschentuch wieder in ihre Tasche, nimmt das Glas Wasser von dem Tisch und trinkt einen Schluck. Die September-Sonne ertränkt das Café in Licht.
KOMMEN SIE VORBEI
Kommen Sie vorbei und erleben Sie, wie der ZUHÖR.Raum zum Ort des Austauschs und der Verständigung zwischen unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen wird.

Partnerschaft mit ZUHÖREN.DRAUSSEN:
Gemeinsam für mehr Dialog
„Die Kooperation ermöglicht es uns, die Bibliothek in einen lebendigen Treffpunkt des interkulturellen Austauschs und des gegenseitigen Verstehens zu verwandeln“, freut sich Stephan Schwering, Leiter der Zentralbibliothek im KAP1, über die spannende neue Partnerschaft mit der Initiative ZUHÖREN.DRAUSSEN und über die ideale Ergänzung ihrer vielseitig angelegten Wissensplattform. Im ZUHÖR.Raum finden Bürgerinnen und Bürgern Menschen, die ihnen zuhören. Dabei erleben sie ein Stück Gemeinschaft und damit ein Stück Heimat in Düsseldorf. Das innovative Projekt wird durch eine Heimatwerkstatt des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert.
„Unsere Vision ist es, Düsseldorf zum Vorreiter sozialen Miteinanders zu machen. Darum freuen wir uns mit dem ZUHÖR.Raum unsere Gesprächsangebote auf den 12 ZUHÖR.Bänken, nun um ein wettergeschütztes zu ergänzen“, zeigt sich Christine von Fragstein, Initiatorin von ZUHÖREN.DRAUSSEN, von der Partnerschaft begeistert.

Über die Zentralbibliothek im KAP 1
Seit ihrer Eröffnung im November 2021 zieht die Bibliothek täglich rund 4.000 BesucherInnen aus vielen Nationen an. Sie dient als wichtige Plattform für Kommunikation, Bildung, Wissensaustausch und Integration. Mit ihrem zukunftsweisenden Konzept wurde die Bibliothek letztes Jahr vom Deutschen Bibliotheksverband und der Deutschen Telekomstiftung als "Bibliothek des Jahres 2023" ausgezeichnet.
Gefördert wird das Projekt von einer Heimatwerkstatt des Landes NRW.
Kontakt: Stephan Schwering, Leiter der Zentralbibliothek (links im Bild) und Mehrandokht Feizi für ZUHÖREN.DRAUSSEN (rechts im Bild).
