Schlagwort: Zuhör.Wissen

  • Wozu zuhören draussen? – Interview mit Christine von Fragstein

    Wozu zuhören draussen? – Interview mit Christine von Fragstein

    Du hast 2021 mit Unterstützung des Kultusministeriums NRW und der Stadt Düsseldorf die Bürgerinitiative zuhören draussen gegründet. Was treibt Dich an?

    Der Wunsch, etwas für die Gesellschaft zu tun. Im Lockdown sind wir alle in unsere jeweiligen Mikrokosmen abgetaucht und sozial verwaist. Aber auch unabhängig von der Pandemie gibt es ein großes Bedürfnis nach Zuwendung, danach, sich auszutauschen. 

    Ich liebe Menschen!

    Ich trage eine riesige Menschenliebe in mir, finde es immer wieder von Neuem faszinierend, wie wir geprägt sind, wie wir als Menschen agieren. Ich bin Facilitator und Prozessbegleiterin und habe in den vergangenen Jahren 18 internationale Großprojekte und mehr als 700 Veranstaltungen aus der Kultur, u.a. für die Berlinale, das Zurich Film Festival, RUHR.2010, FIFA und Unternehmen entwickelt und durchgeführt. Durch meinen Beruf und auf meinen Reisen durch 55 Länder durfte ich die unterschiedlichsten Menschen kennenlernen – von Künstler*innen über Politiker*innen bis hin zu Sozialarbeiter*innen und Pflegekräften. Mit zuhören draussen verfüge ich nun über ein weiteres Gefäß, das mit Geschichten gefüllt wird. Wir tauchen als Zuhörer*innen ein in andere Leben, erfahre etwas darüber, wie Menschen unterwegs sind, auch wie es früher war. Es ist unfassbar, was für Lebensweisheiten man gerade von älteren Menschen mit auf den Weg bekommt. Insofern ist Zuhören für beide Seiten ein Gewinn. 

    Wenn Du Dir die Reaktionen anguckst: Warum ist das, was Ihr tut, dringend notwendig?

    Die Menschen sind durchgerüttelt von Krisen aller Art: von der Pandemie über den Ukrainekrieg hin zur Energiekrise. Wir sind meines Erachtens überfordert von der Komplexität der Informationen, die rund um die Uhr auf uns einrauschen. Wir alle sehnen uns danach, ganz normale zwischenmenschliche Begegnungen zu haben – wertschätzend, unvoreingenommen und ohne Hintergedanken. Es ist ein urmenschliches Bedürfnis, in Verbindung zu sein. Sich geliebt, gehört, zuge-hör-ig zu fühlen. Bei unseren Zuhör-Aktionen erleben wir eine immense Dankbarkeit der Leute, denen wir Zeit und ein offenes Ohr schenken.

    Warum hört ihr draußen zu?

    Das Publikum auf öffentlichen Plätzen bildet die ganze Bandbreite der Gesellschaft ab. Es kommen Spaziergänger*innen vorbei, Senior*innen, Arbeitslose, Obdachlose, Tourist*innen, alleinerziehende Mütter … Sie sind sehr überrascht, wenn sie auf jemanden treffen, der Lust hat, ihnen einfach zuzuhören. Wir hören draussen zu, weil jeder von uns zu sehr in seiner „Blase“ – seinem beruflichen Umfeld, seinem Familien- und Freundeskreis und seinem Stadtviertel – verhaftet ist. Es geht darum, mit Menschen ins Gespräch zu kommen, denen man normalerweise nicht begegnen würde. 

    Viel zu selten fragt uns jemand einfach mal: „Wie geht es Dir?“

    Wie kommt Ihr mit den Passant*innen in Kontakt?

    Wir halten Schilder mit der Aufschrift „Ich höre Dir zu“ hoch. Jeder Dritte spricht uns an – und die erste Frage an uns lautet immer: Kommt ihr von der Kirche? Oder seid ihr eine politische Initiative? Wenn wir erklären, dass wir eine Bürgerinitiative sind, sind die Passant*innen offener und schenken uns ihr Vertrauen. 95 Prozent sagen: Großartig, was ihr macht – es wird überhaupt nicht mehr zugehört in unserer Gesellschaft! Alle senden nur noch, wir unterhalten uns gar nicht mehr. Und das stimmt wirklich. Viel zu selten fragt uns jemand einfach mal: Was machst Du denn im Moment so, was beschäftigt Dich, wie geht es Dir? 

    In welchen Situationen hättest Du Dir selbst jemanden gewünscht, der Dir zuhört?

    Ich habe vier ältere Geschwister – da war immer jemand, der ein offenes Ohr für die „Kleine“ hatte. Auch von meinen Powereltern, die eine Firma führten und viel gearbeitet haben, bekam ich viel Unterstützung. Dann habe ich mir Lehrer*innen gesucht, die offen für Austausch waren. Und auch als Führungskraft hatte ich immer jemanden zum Reden. Ich reflektiere viel mit meinem Mann oder mit guten Freund*innen. Bei zuhören draussen überlegen die Ehrenamtlichen gemeinsam mit mir, was gut läuft, was der nächste Schritt sein soll – das ist ein kollaborativer Prozess, in den sich jede/r einbringen und mehr Verantwortung, z.B. für einen Stadtteil übernehmen kann. Ich habe das Glück, tolle Menschen um mich herum zu haben. Einsam war ich nur ein einziges Mal im Leben: in meinem ersten Studienjahr in Köln. Deshalb arbeiten wir jetzt auch mit den Universitäten in Düsseldorf zusammen.

    Ich bin die Lokomotive, doch für den Erfolg braucht es eine ganze Mannschaft 

    Welche Eigenschaften braucht man, um ein Projekt wie zuhören draussen auf die Beine zu stellen?

    Ich bin pragmatisch und sehr verbindlich. Wenn ich etwas vorhabe, ziehe ich das mit allen Konsequenzen durch. Und ich habe das große Glück, dass ich mit meiner Begeisterung andere Menschen anzünden kann. Gemeinsam mit Dieter Kosslick habe ich das Konzept für die „Berlinale Talents“ entwickelt, heute eines der wichtigsten Aushängeschilder der Berlinale. Für das Talentförderprogramm für junge Filmemacher*innen gibt es heute jährlich 6000 Bewerber*innen aus 150 Ländern. Ich habe Pioniergeist, bin sehr innovativ. Das Bild der Lokomotive passt sehr gut auf mich: Ich entwickle eine Idee, kümmere mich um das Konzept, die Unterstützer und die Finanzierung. Ich lege die Gleise und treibe es Projekt mit viel Energie und voller Kraft voran. Aber auch, wenn ich am Anfang die Lok bin: Es gehört immer eine ganze Mannschaft dazu, damit ein Projekt wie zuhören draussen langfristig erfolgreich ist. Hinzu kommt, dass ich in Düsseldorf mittlerweile gut vernetzt bin und mit zuhören draussen bei unseren Kooperationspartner*innen auf offene Türen gestoßen bin.

    Hörst Du im privaten und beruflichen Kontext bewusster zu, seit du dich in diesem Kontext ehrenamtlich engagierst?

    Früher war ich eine miserable Zuhörerin, weil es mir an Zeit gefehlt hat. Das ist das Dilemma von Führungskräften, das alles zickizacki gehen muss und man nur im Problem-Lösungs-Modus denkt. Aber es macht schlichtweg total Sinn, sich in aller Ruhe anzuhören, was andere vorschlagen: die Mitarbeitenden, die Kooperationspartner*innen. Seit meinem Engagement bei zuhören draussen höre ich den Kund*innen meines Unternehmens Change Animal erst mal ganz lange zu, und frage viel nach, bevor ich mit methodischen Ansätzen komme. Das ist mein persönlicher Change und ich lerne täglich dazu.

    Wie hat die Initiative zuhören draussen deinen Alltag verändert?

    Ich war immer überregional oder international tätig – jetzt arbeite ich durch mein Ehrenamt 1 Tag die Woche plötzlich auch lokal. Ich lerne meine Heimatstadt ganz neu kennen und habe sie dadurch noch mehr liebgewonnen. Es ist beispielsweise grandios, dass wir hier 32 Seniorencafés haben. Gemeinsam mit anderen Institutionen für Nähe und Verbindung zwischen den Menschen aller Generationen, Milieus und Schichten in Düsseldorf zu sorgen, erfüllt mich sehr.

  • Impuls: Der Sinn von Ruhe, Stille, Schweigen im Gespräch mit Alexandra Perl

    Impuls: Der Sinn von Ruhe, Stille, Schweigen im Gespräch mit Alexandra Perl

    Ruhepausen. Schweigen im Dialog. 

    Unser Ohr ist permanent im Einsatz: 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, unser ganzes Leben lang. Im Gegensatz zum Auge können wir unser Ohr nicht schließen. Und Momente von Stille und Pause sind sehr selten geworden.

    Pausen gehören zu jedem guten Gespräch dazu. Sie ermöglichen es beiden Seiten, zur Ruhe zu kommen und die Gedanken zu vertiefen. Das sind häufig die Momente, in denen wir unsere Gesprächspartner wirklich verstehen, indem wir uns verbinden mit dem, was gesagt wurde und einander und dem Gesagten Bedeutung geben. In westlichen Kulturen beträgt eine Gesprächspause selten mehr als zwei Sekunden, ab vier Sekunden fangen Gesprächsteilnehmer an, sich sichtlich unwohl zu fühlen. In Japan gibt es den schönen Begriff des Haragei, der besagt, dass die beste Kommunikation dann stattfindet, wenn niemand spricht. 

    Schweigen scheint erst mal gegen unseren Instinkt zu sein. Wir wollen häufig eine Gesprächslücke füllen. Übe mit einem Freund oder einem Kollegen. Stell einfach eine Frage nach dem nächsten Urlaub oder nach den Wochenendplänen. Und dann halte den Mund. Ein ganz klassisches Beispiel für den bewussten Einsatz von Pausen war zum Beispiel Steve Jobs. Er führte Pausen bei seinen Produktpräsentation ein, damit man seine Kernaussagen nicht verpasst. Dass Stille uns nervös macht, war unsere instinktive Reaktion, dass wir besser aufpassen sollen, weil jetzt gleich eine wichtige Ankündigung gemacht wird One more thing. 

    Pausen gehören zu jedem guten Gespräch und geben Gelegenheit, die Gedanken zu vertiefen. Und das Wissen darum, wie wertvoll diese Momente sind, nimmt allen Beteiligten den Druck, mit dem Sprechen zu beginnen, nur um eine Lücke zu füllen. Und die Erfahrung hat gezeigt, dass wenn wir es schaffen, diese Stille auszuhalten, dann schaffen es auch die anderen. Wir denken ja viel schneller, als wir sprechen. Und jeder Sprecher braucht mitunter ein paar Augenblicke, um sich gedanklich zu sortieren. Also einfach manchmal auch einatmen und ausatmen und schauen, ob dann noch etwas gesagt werden will.

    Stille kann eine nach innen gerichtete, nachdenkliche Aktivität sein oder eine nach außen gerichtete Stille. Indem man sich die Zeit nimmt, sich die Welt um sich herum anzuschauen und zu beobachten, nachzudenken und zuzuhören. Und meine Einladung an Euch ist: Versuche jeden Tag, ein paar Momente der Stille zu finden und auszuhalten. Wann du die Ruhe zelebrierst, bleibt dir überlassen. Nach dem Aufstehen, vielleicht auch mittags an einem vollen Tag oder am Abend als Reflexion des Tages.

    Alexandra Perl unterstützt Menschen dabei, einander besser zu verstehen. Sie ist Facilitator, Trainerin, Moderatorin und visuelle Geschichtenerzählerin, siehe www.stullengold.com

  • Impuls: Die 4 Ebenen des Zuhörens mit Antje Schwarze

    Impuls: Die 4 Ebenen des Zuhörens mit Antje Schwarze

    „Wenn ich in ein Gespräch gehe, komme ich anders heraus, als ich hineingegangen bin. Aus einem generativen Gespräch komme ich verändert heraus, als ich hineingegangen bin.“

    Frei nach Otto Scharmer

    Die 4 Ebenen des Zuhörens stammen aus der Theory U von Otto Scharmer*, der dazu geforscht hat, wie man Innovation und nachhaltiges Handeln in Teams oder Organisationen initiieren kann. Die Kompetenz des Zuhörens spielt dabei eine zentrale Rolle. Er hat vier Ebenen des Zuhörens beschrieben, die sich durch die innere Haltung der/des Zuhörenden unterscheiden. 

    Ein zentraler Satz lautet: „Die Qualität des Zuhörens beeinflusst die Qualität des Gesprochenen.“ Der Schlüssel dazu liegt in der Qualität unserer Aufmerksamkeit beim Zuhören, die wesentlich die Entwicklung eines Gesprächs beeinflusst. 


    Die erste Ebene ist das sogenannte downloaden (runterladen). Ich bin in meiner eigenen Glocke und höre nur das, was ich bereits kenne und hören möchte. Das Gehörte bestätigt meine Vorstellungen über die Welt oder über den Menschen, dem ich gerade zuhöre.

    Die zweite Ebene ist das faktisch sachliche Zuhören. Hier bin ich interessiert an neuen Informationen, nehme Abweichungen von eigenen Vorstellungen wahr. Ich bemerke Differenzen zu meiner eigenen Wahrnehmung, weil ich die eigene Stimme des Urteilens pausiere, um Raum für Staunen und neue Fragen zu schaffen.

    Die dritte Ebene ist das empathische Zuhören. Da höre ich mit dem Herzen zu, spüre die Emotionen meines Gegenübers und fühle mit. Ich nehme einen Perspektivenwechsel vor und versetze mich in die Schuhe des anderen. 

    Die vierte Ebene ist das schöpferische Zuhören. Meine innere Haltung ist offen, unvoreingenommen und neugierig-verspielt. Ich spüre neue Möglichkeiten und das Potential im Gehörten. Es entsteht etwas Neues. Ich lasse mich berühren von der/dem anderen, von dem, was sie/er mir erzählt. Dadurch entsteht eine neue, gemeinsame Realität. 

    Diese vier Ebenen des Zuhörens haben keine Hierarchie. Es gibt Situationen im Alltag oder auch in Gesprächen, in denen jede dieser vier Ebenen ihre Berechtigung haben und hilfreich sind. Das Bewusstsein dafür, wann wir auf welcher Ebene zuhören, können wir schulen. Wenn wir bewusst die Ebenen beim Zuhören wechseln, haben wir die Möglichkeit, ein Gespräch zu verändern, so können wir z.B. ein festgefahrenes Gespräch neu beleben.

    * Theory U ist eine bewusstseinsbasierte Methode für die Veränderung von Systemen. (…), sie verbindet Systemdenken, Innovation und Veränderungsmanagement – aus der Perspektive eines sich entwickelnden menschlichen Bewusstseins. 

    C. Otto Scharmer, Essentials der Theorie U. Grundprinzipien und Anwendungen, Heidelberg 2019, S. 9

    Ein ganz aktueller Artikel: https://ethik-heute.org/mehr-auf-das-antworten-was-uns-aus-der-zukunft-entgegen-kommt/

    Antje Schwarze hat seit 2018 Ausbildung zum Advanced Practioner in Social Presencing Theater und in Theory U beim Presencing Institute absolviert, sie ist Ethnologin und Systemische Beraterin, sowie Prozessbegleiterin für Teams und Organisationen im zukunftsfähigen Wandel (www.condimento.net) und engagiert sich in der deutschsprachigen Theory U Gemeinschaft (theory-u.de).

  • Impuls: Was in Gesprächen Mauern errichtet und gute Dialoge verhindert

    Impuls: Was in Gesprächen Mauern errichtet und gute Dialoge verhindert

    Die 12 Kommunikationssperren und ihre Wirkung nach Thomas Gordon

    Die Don’ts beim Zuhören:

    1. Befehlen, kommandieren 

    Hör endlich auf, Dir Sorgen zu machen!“

    • bewirkt eine Nichtannahme oder ein geringes Selbstwertgefühl beim anderen
    • überlässt dem anderen nicht die Verantwortung
    • erzeugt Widerstand und fördert rebellisches Verhalten 

    2. Warnen, drohen 

    „Wenn du so weitermachst, wird das nie gutgehen“
    „Wenn du nicht bald anfängst, dann …“ 

    • vermittelt Nichannahme
    • kann Angst oder Unterwerfung hervorrufen
    • kann Groll, Ärger, Auflehnung usw. hervorrufen

    3. Moralisieren, predigen 

    „Das Leben ist nun mal kein Zuckerschlecken!“
    „So darfst du die Dinge nicht sehen!“ 

    • schafft Verpflichtung, vermittelt Druck und macht Schuldgefühle
    • kann bewirken, dass sich das Gegenüber „vergräbt“ und seine Position noch vehementer verteidigt
    • vermittelt fehlendes Vertrauen in das Verwantwortungsgefühl des Anderen 

    4. Vorschläge machen, Lösungen vorgeben 

    „Ich an deiner Stelle würde …“
    „Warum machst du nicht …?“
    „Also, ich schlage dir vor, …“  

    • kann besagen, dass der andere nicht fähig ist, seine eigenen Probleme zu lösen
    • verhindert, dass der andere sein Problem durchdenkt, andere Lösungen überhaupt in Betracht zieht und sie ausprobiert 
    • kann Abhängigkeit oder Widerstand auslösen 

    5. Mit Logik überzeugen, argumentieren 

    „Logisch betrachtet bist du im Irrtum“
    „Tatsache ist doch …“
    „Ja, aber …“ 

    • provoziert Verteidigung, lenkt vom Problem ab, da u. U. eher nach Gegenargumenten gesucht wird
    • veranlasst den anderen zum Weghören/zur Einstellung, jedes weitere Gespräch nütze sowieso nichts 
    • der andere nimmt das Urteil oft als wahr an (Übernahme des Gaubenssatzes: „Ich bin schlecht!“) 

    6. Urteilen, kritisieren, beschuldigen 

    Du überlegst nicht gründlich genug.“
    „Du machst es dir zu einfach.“

    bedeutet Unfähigkeit, Stupidität, schlechtes Urteil schneidet die Mitteilungsbereitschaft des anderen aus Angst vor negativem Urteil ab

    • der andere nimmt das Urteil oft als wahr an (Übernahme des Glaubenssatzes: „Ich bin schlecht!“) 
    • oder er folgert für den Gesprächspartner „Du bist auch nicht besser!“ 

    7. Loben, zustimmen 

    „Nun, ich denke, du hast das Zeug dazu, etwas zu leisten!“
    „Du hast Recht, … ist wirklich schrecklich!!!“ 

    • enthält hohe Erwartungen, denen der andere sich u. U. nicht gewachsen fühlt
    • kann als ungefragte Beschützung aufgefasst werden und Widerstand hervorrufen 
    • kann als manipulierende Ermutigung zu einem gewünschten Verhalten aufgefasst werden
    • kann Beklemmung hervorrufen, wenn die eigene Selbsteinschätzung mit dem Lob nicht übereinstimmt 

    8. Beschimpfen, lächerlich machen 

    Heulsuse!
    „Du bist ja wie eine Prinzessin auf der Erbse!“
    „(Alter) Besserwisser!“

    • kann bewirken, dass der andere sich ungeliebt und wertlos vorkommt!
    • kann einen zerstörerischen Einfluss auf die Selbsteinschätzung des anderen haben 
    • provoziert oft verbale Vergeltung 

    9. Analysieren, diagnostizieren 

    „Dein eigentliches Problem besteht doch noch darin, dass …“„Du bist nur erschöpft! …“„Was du in Wirklichkeit doch sagen willst, ist …“  

    • kann bedrohen und enttäuschen
    • kann Empfindungen auslösen, in die Enge getrieben und bloßgestellt zu sein oder unglaubhaft zu wirken
    • unterbindet die Mitteilungsbereitschaft des anderen aus Angst vor Entlarvung oder Verdrehung 

    10. Beruhigen, trösten 

    „Nimm, dir das doch nicht so zu Herzen.“
    „Wird schon wieder gut!“
    „In ein paar Jahren wirst du darüber lachen!“

    • bewirkt, dass der andere sich u. U. missverstanden fühlt
    • kann starke Gefühle der Feindseligkeit hervorbringen (Du hast gut reden!) 

    11. Ausfragen, verhören 

    „Warum …? Wer …? Wann …? Was hast du …? Wieso …? Wie …?“ 

    • kann den anderen veranlassen, die Antwort zu umgehen oder auf Halbwahrheiten und Lügen auszuweichen, weil das Beantworten solcher Fragen oft Kritik/Schuldzuweisungen/Lösungsvorschäge des Fragenden zur Folge hat 
    • kann den anderen ängstlich oder fruchtsam werden lassen, weil er im Unklaren darüber bleibt, was mit den Fragen erreicht werden soll 
    • kann dazu führen, dass der andere Übersicht über sein Problem verliert, weil er sich durch die Besorgnis des Fragenden dazu verpflichtet fühlt, zu erst zu antworten, anstatt sich zu weiterführenden Gedanken zu seinem Problem zu machen 

    12. Ablenken, spötteln, sich zurückziehen

    „Komm, lass uns über angenehmere Dinge reden.“
    „Wer keine Sorgen hat, macht sich welche!“
    Sich abwenden/stumm verhalten. 

    • besagt, dass es besser ist, den Schwierigkeiten im Leben aus dem Weg zu gehen, als sie zu überwinden
    • kann den anderen vermuten lassen, dass seine Probleme nicht wichtig sind 
    • unterdrückt die Offenheit des anderen auch für zukünftige Schwierigkeiten 

    Tipps, wie du es beim Zuhören besser machen kannst, findest du hier (Links).

    Ein Impuls von Sebastian Kremser, Quelle: Thomas Gordon.

  • Impuls mit Neurowissenschaftler Gerald Hüther

    Impuls mit Neurowissenschaftler Gerald Hüther

    Gerald Hüther ist Neurowissenschaftler an der Akademie für Potentialentfaltung

    Die Informationsflut bringt es zwangsläufig mit sich, dass Menschen einander nicht mehr zuhören. Sie haben eine Art Mitteilungsdrang, sind gar nicht daran interessiert, was der andere dazu zu sagen hat. Unsere Beziehungen werden nur noch von dem Bedürfnis bestimmt, gesehen zu werden. Das hat zur Folge, dass es kaum noch Menschen gibt, die wirklich bewusst zuhören, was der andere sagt oder in den sozialen Medien schreibt.

    In dem Augenblick, wo ich wieder lerne zuzuhören, lasse ich mich auf den anderen ein. Ich kann als Zuhörer den anderen nicht zum Objekt machen, aber ich kann als Redner den anderen ständig zum Objekt meiner Vorstellung, meiner Absichten, meiner Ziele, meiner Belehrungen und meiner Bewertung machen. Deshalb ist das Zuhören sozusagen eine Eintrittspforte, wo man solche Beziehungen zwischen Menschen, die inzwischen mehr oder weniger Objekt- Beziehung geworden sind, wieder aufschließen kann. Indem man zuhört, zeigt man sich als Subjekt und gibt dem anderen die Möglichkeit, sich selbst auch als Subjekt zu erleben, nämlich gehört zu werden. Es ist ähnlich wie das Lächeln. Sie können jemanden anlächeln und dann zeigen Sie sich als Subjekt. Und was Sie dafür bekommen, ist ein Lächeln von dem anderen, weil dem eigentlich kaum jemand widerstehen kann, dass er endlich mal gesehen wird und dass ihm jemand ein Lächeln schenkt. Und so wird das mit dem Zuhören auch sein.

    Man kann dem ein oder anderen sicherlich helfen, sich selbst besser zu verstehen, indem man ihm Gelegenheit gibt, sich selbst zu erklären. Man muss nicht immer Rat wissen und sagen, wo es lang geht. Es reicht manchmal, dass Menschen Gelegenheit bekommen, sich auszudrücken, ihr Problem zu schildern. Häufig finden sie die Lösung dann schon allein, weil es ihnen plötzlich ins Bewusstsein rückt, was schiefläuft. Und wenn ihnen keiner zuhört, dann geschieht das eben nicht.Wenn Menschen sich nicht mehr richtig zuhören, wenn Informationen so verbreitet werden, dass keiner mehr unterscheiden kann, ob was richtig oder falsch oder wichtig oder unwichtig ist, dann läuft ein System tot. Es kann sein, dass wir aus diesem Grund jetzt in so schwere gesellschaftliche Krisen geraten, eine nach der anderen, weil nicht nur unser Wirtschaftssystem nicht stimmt, sondern weil auch die Art und Weise, wie wir unsere Beziehung gestalten, sehr fragwürdig ist. Da versuche ich, mit der Akademie für Potential-Entfaltung anzusetzen. Potential-Entfaltung geht ja niemals allein, es braucht immer andere dazu.

  • Impuls: Drei Arten des Zuhörens mit Sebastian Kremser

    Impuls: Drei Arten des Zuhörens mit Sebastian Kremser

    1. Präsentes Zuhören

    • Ich wende mich meinem Gegenüber zu, entscheide mich bewusst dafür, mich auf ihn zu fokussieren, höre ihm schweigend und sehr aufmerksam zu. 
    • Wichtig hierbei: Ich lasse meine eigenen Gedanken gehen, mache meinen Kopf leer, sodass ich ganz bei meinem Gegenüber sein kann.
    • Ich zeige meinem Gegenüber meine volle Aufmerksamkeit durch Gestik, Mimik und „Brummsprache“. Und verdeutliche ihm damit auch körperlich, dass ich ganz präsent bin, ihm zuhöre bei dem, was ihn bewegt, bei dem, womit er gehört werden möchte.

    2Aktives Zuhören

    • Das aktive Zuhören baut auf dem präsenten Zuhören auf.
    • Beim präsenten Zuhören werde ich selbst aktiv, indem ich von Zeit zu Zeit in eigenen Worten Kernaussagen oder Sinnzusammenhänge wiedergebe, die mir erzählt werden.
    • Durch diese Rückspiegelung des Gesagten verhelfe ich meinem Gegenüber zu mehr Klarheit.

    3. Empathisches Zuhören

    • Ich höre aktiv zu, richte zusätzlich den Fokus auf die Gefühle und Bedürfnisse der anderen Person.
    • Meine Eindrücke, meine Wahrnehmung spiele ich als Frage formuliert an den Erzähler zurück: „Kann es sein, dass dich die Absage geärgert hast, weil dir Verlässlichkeit wichtig ist?“
    • Empathisches Zuhören ist die anspruchsvollste Variante des Zuhörers, die zu einer tieferen Verbindung zwischen Zuhörer und Erzähler führt.

    Sebastian Kremser war zwölf Jahre Offizier bei der Bundeswehr, wo er Führungskräfte begleitet hat. Seit 2013 begleitet er als selbständiger Mediator und Trainer für Kommunikation Einzelpersonen und Teams bei ihrer Entwicklung zu einer besseren Kommunikation. In seinem Podcast Empathieschenker interviewt er regelmäßig Menschen zum Thema Zuhören. Im Herbst 2021 hat er sich der Initiative ZUHÖREN.DRAUSSEN. als ehrenamtlicher Zuhörer angeschlossen. Für ihn gibt es 3 Arten des Zuhörens.